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Gegenargumente zu Slavoj Žižek

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Slavoj Žižek, der slowenische Philosoph und Kulturkritiker, hat sich als einer der provokantesten und zugleich einflussreichsten Denker der Gegenwart etabliert. Sein Werk, eine synkretistische Mischung aus Lacan’scher Psychoanalyse, Hegel’scher Dialektik und Marx’scher Ideologiekritik, angewendet auf Popkultur, Politik und Alltagsphänomene, fasziniert und polarisiert gleichermaßen. Žižek ist nicht nur ein Philosoph, sondern ein „Phänomen“ – ein philosophischer Popstar, dessen sprunghafter Stil, gespickt mit abrupten Übergängen von abstrakter Metaphysik zu Hollywood-Blockbustern, viele als ebenso brillant wie irritierend empfinden.

Doch hinter der Fassade des intellektuellen Spektakels verbirgt sich ein philosophisches Projekt, dessen Substanz und Kohärenz zunehmend in Frage gestellt werden. Die Kritik an Žižek richtet sich dabei nicht nur gegen den Inhalt seiner Argumente, sondern untrennbar auch gegen seinen Stil, seine Methodik und seine öffentliche Persona. Diese Analyse zielt darauf ab, eine strukturierte und systematische Kritik an Žižeks philosophischen Positionen zu formulieren. Sie untersucht die zentralen Gegenargumente, die sich auf methodische Inkonsistenzen, oberflächliche Analysen, problematische politische Implikationen und die zweifelhafte Fundierung seiner theoretischen Kernelemente beziehen. Es geht darum, die Paradoxien und Widersprüche in Žižeks Denken nicht als dialektische Geniestreiche zu akzeptieren, sondern sie als symptomatische Schwächen eines philosophischen Ansatzes zu dekonstruieren, der oft mehr Fragen aufwirft, als er zu beantworten vermag.

1. Methodische und stilistische Mängel: Das Spektakel der Inkonsistenz

Ein zentraler und wiederkehrender Kritikpunkt an Slavoj Žižeks Werk betrifft seine Methodik und seinen unverwechselbaren Stil. Kritiker werfen ihm vor, dass seine sprunghafte, assoziative und oft als oberflächlich empfundene Herangehensweise die akademische Strenge untergräbt und die philosophische Debatte eher verflacht als bereichert. Sein Status als „philosophischer Popstar“ ist dabei nicht nur eine neutrale Beschreibung seiner öffentlichen Wirkung, sondern wird selbst zum Gegenstand der Kritik.

1.1. Mangel an akademischer Strenge und logischer Kohärenz

Žižeks Schriften zeichnen sich durch eine bewusste Missachtung traditioneller akademischer Konventionen aus. Seine Argumente entwickeln sich selten linear, sondern springen zwischen Anekdoten, Filminterpretationen, politischen Kommentaren und hochtheoretischen Exkursen hin und her. Kritiker sehen darin nicht nur einen unkonventionellen Stil, sondern ein grundlegendes methodisches Problem. Die Argumentationsketten sind oft schwer nachzuvollziehen, Thesen werden eher behauptet als systematisch hergeleitet, und die logischen Verbindungen zwischen den einzelnen Teilen bleiben vage [1]. Ian Parker weist darauf hin, dass Žižeks Argumente über verschiedene Themen hinweg inkonsistent sind, was die theoretische Zuverlässigkeit seines Werkes in Frage stellt [2]. Diese Inkonsistenzen werden nicht als produktive dialektische Spannungen wahrgenommen, sondern als logische Brüche, die durch rhetorische Wendungen kaschiert werden.

Adrian Johnston identifiziert eine „ausgeprägte Diskrepanz“ zwischen Žižeks theoretischen Ansprüchen und seiner tatsächlichen methodologischen Vorgehensweise [3]. Während Žižek vorgibt, tief verborgene ideologische Mechanismen aufzudecken, bleibt seine Methodik oft unerklärt und seine Schlussfolgerungen erscheinen willkürlich [4]. Diese fehlende Transparenz erschwert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit seinen Thesen, da die Grundlage, auf der sie beruhen, im Dunkeln bleibt. Žižek selbst äußert eine regelrechte Abscheu vor dem Schreibprozess und betont, dass philosophische Entscheidungen auf bestimmten Präsuppositionen basieren, was Raum für Kritik an eben diesen unreflektierten Grundlagen lässt [5].

1.2. Oberflächlichkeit und der instrumentelle Einsatz von Popkultur

Ein weiteres zentrales Gegenargument betrifft die Art und Weise, wie Žižek Popkultur instrumentalisiert. Seine Analysen von Filmen wie Fight Club oder The Matrix sowie seine Verweise auf Alltagsphänomene wie Überraschungseier sind legendär. Während seine Befürworter darin eine brillante Fähigkeit sehen, komplexe philosophische Konzepte zugänglich zu machen, argumentieren Kritiker, dass diese Beispiele oft zu einer Vereinfachung und Trivialisierung führen. Paul Bowman kritisiert diesen „vereinfachenden Ansatz“ und deutet an, dass die Popkultur-Referenzen weniger der tiefgründigen Analyse dienen als vielmehr der Generierung von Aufmerksamkeit [6].

Die Analysen bleiben oft an der Oberfläche und wirken eher wie intellektuelle Unterhaltung als wie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Gegenstand. Die Gefahr besteht darin, dass die Tiefe der kritisierten Phänomene sowie die Komplexität der herangezogenen Theorien von Hegel, Lacan oder Marx verloren gehen. Die ständigen Sprünge zwischen Hochkultur und Popkultur erwecken den Eindruck einer umfassenden Analyse, doch bei genauerem Hinsehen erweisen sich viele Verbindungen als forciert oder unzureichend begründet. Kritiker werfen Žižek vor, zwar den „unter der Oberfläche verborgenen Wert“ zu erforschen [7], doch oft selbst nicht über das Oberflächliche hinauszukommen [8].

1.3. Die Paradoxie des Stils: Kritiker des Spektakels als Teil des Spektakels

Die vielleicht schärfste Kritik am Stil Žižeks ist die, dass er selbst die Mechanismen reproduziert, die er zu kritisieren vorgibt. Žižek analysiert die „Gesellschaft des Spektakels“ und die ideologische Verblendung durch mediale Inszenierungen, wird aber durch seine Auftritte, seine Manierismen und seinen provokanten Stil selbst zu einem Akteur in diesem Spektakel. Paul Bowman formuliert diesen Vorwurf pointiert, indem er feststellt, dass Žižeks gesamter Ansatz dem „Stil der mystifizierenden (Nicht-)Bindung und des intellektuellen Versagens“ ähnelt, den er selbst bei anderen kritisiert [9].

Diese Ambivalenz untergräbt die Glaubwürdigkeit seiner Kritik. Wenn der Kritiker selbst zum Popstar wird, dessen Videoclips mehr Aufmerksamkeit erhalten als seine komplexen Schriften, stellt sich die Frage, ob er noch ein Enthüller ideologischer Mechanismen ist oder lediglich ein weiterer Entertainer im post-modernen Medienspiel. Sein Stil ist somit nicht nur eine neutrale Verpackung für seine Inhalte, sondern wird selbst zum Problem. Die Flut fesselnder Bilder und provokanter Thesen, die er produziert, droht, eben jene substanzlose Faszination zu erzeugen, die er an der kapitalistischen Kultur anprangert.

2. Die fragile Basis der Ideologiekritik: Psychoanalyse und Philosophie im Zwielicht

Das Fundament von Slavoj Žižeks Denken ruht auf einer spezifischen Synthese der Psychoanalyse Jacques Lacans, der Dialektik G.W.F. Hegels und der Ideologiekritik Karl Marx’. Doch gerade die Art und Weise, wie Žižek diese komplexen Theorien interpretiert und miteinander verbindet, bildet eine zentrale Angriffsfläche für Kritiker. Ihm wird vorgeworfen, die Theorien selektiv zu nutzen, sie aus ihrem Kontext zu reißen und zu einem idiosynkratischen System zu verzerren, das einer genaueren Überprüfung durch Experten der jeweiligen Fachgebiete oft nicht standhält.

2.1. Die umstrittene Lesart von Lacan und die psychoanalytische Fundierung

Žižeks Ideologiekritik ist untrennbar mit seiner Interpretation der Lacan’schen Psychoanalyse verbunden [10]. Er überträgt Konzepte wie das Symbolische, das Imaginäre und das Reale sowie das gespaltene Subjekt direkt auf gesellschaftliche und politische Phänomene [11]. Die zentrale These lautet, dass Ideologie nicht primär auf der Ebene des falschen Bewusstseins funktioniert, sondern auf der unbewussten Ebene des Genießens (jouissance). Wir wissen, dass die Ideologie eine Illusion ist, aber wir handeln trotzdem so, als ob wir an sie glaubten, weil wir unbewusst ein perverses Genießen aus ihr ziehen.

Kritiker bemängeln jedoch, dass diese Übertragung psychoanalytischer Konzepte auf die Gesellschaft eine unzulässige Verallgemeinerung darstellt. Die Psychoanalyse wurde zur Analyse der individuellen Psyche entwickelt, und ihre Anwendung auf kollektive Phänomene ist methodisch höchst fragwürdig. J. Jagodzinski argumentiert aus einer deleuzianischen Perspektive, dass die psychoanalytische Herangehensweise an die Ideologie grundsätzlich falsch sein könnte, da sie die materiellen und sozialen Bedingungen zugunsten einer psychologisierten Erklärung vernachlässigt [12].

Darüber hinaus wird Žižeks Interpretation von Lacan selbst in Frage gestellt. Spezialisten werfen ihm vor, Lacans komplexe und oft widersprüchliche Theorie zu vereinfachen und zu dogmatisieren. Die Kritik richtet sich auch gegen die theoretischen Grundlagen, die Žižek von Denkern wie Louis Althusser übernimmt, deren Schwächen sich auf seine eigene Theorie übertragen [13]. Die Stärke und Schwäche von Žižeks Politik basieren auf dem psychoanalytischen Axiom des gespaltenen Subjekts, doch die daraus resultierenden Herausforderungen bleiben oft unbeantwortet [14]. Es entsteht der Eindruck, dass Žižek die Psychoanalyse weniger als analytisches Werkzeug denn als metaphysisches System verwendet, um seine bereits feststehenden politischen Überzeugungen zu untermauern.

2.2. Hegels Dialektik als Deckmantel für Inkonsistenzen

Ähnliche Vorwürfe werden bezüglich seiner Hegel-Interpretation laut. Žižek nutzt die Hegelsche Dialektik, um scheinbare Widersprüche und Paradoxien als produktive Momente der Wahrheit darzustellen. Was auf den ersten Blick wie ein logischer Fehler aussieht, wird in seiner Lesart zu einer tiefgründigen dialektischen Einsicht umgedeutet. Kritiker hinterfragen jedoch, ob es sich hierbei tatsächlich um eine stringente Anwendung der Dialektik handelt oder ob der Verweis auf Hegel nicht vielmehr als rhetorischer Trick dient, um eigene Inkonsistenzen und logische Sprünge zu legitimieren.

Die ständige Berufung auf das Paradoxe und Widersprüchliche führt dazu, dass seine Argumente sich einer klaren Falsifizierung entziehen. Jede Kritik kann als Missverständnis der „dialektischen Spannung“ abgetan werden. Diese Vorgehensweise immunisiert sein Denken gegen rationale Kritik und verleiht ihm einen fast schon mystischen Charakter, der jedoch auf Kosten der philosophischen Nachvollziehbarkeit geht. Die Grenzen zwischen einer tiefsinnigen dialektischen Analyse und intellektueller Willkür verschwimmen dabei zusehends.

2.3. Die Instrumentalisierung von Marx für eine post-politische Kritik

Obwohl Žižek sich als radikaler Marxist und Kommunist inszeniert, bleibt seine Auseinandersetzung mit der Marx’schen Theorie oft selektiv. Er konzentriert sich auf die frühe Ideologiekritik und vernachlässigt die detaillierte ökonomische Analyse des Kapitals, die das Kernstück von Marx’ Werk darstellt. Seine Kritik am Kapitalismus bleibt dadurch oft auf einer abstrakten, kulturellen Ebene, ohne die materiellen Produktionsverhältnisse konkret in den Blick zu nehmen.

M. Flisfeder kritisiert, dass Žižeks Logik unter denselben Fehlern leidet wie andere post-marxistische Ansätze, die die konkreten politischen und ökonomischen Probleme umgehen [15]. Žižeks Marxismus erscheint als eine stark psychologisierte Variante, in der die unbewussten Mechanismen des Genießens wichtiger sind als die ökonomische Ausbeutung. Dies führt zu einer entpolitisierten Form der Kritik, die zwar radikal klingt, aber kaum Ansatzpunkte für konkretes politisches Handeln bietet. Žižeks Ideologiekritik, so der Vorwurf, beschreibt die Symptome der kapitalistischen Gesellschaft brillant, versagt aber bei der Diagnose der strukturellen Ursachen und der Entwicklung einer wirksamen Therapie.

3. Politische Positionen und die Verherrlichung der “göttlichen Gewalt”

Slavoj Žižeks politische Philosophie ist wohl der umstrittenste Teil seines Werkes. Sein wiederholter Ruf nach einem radikalen Bruch mit der liberal-demokratischen Ordnung, seine Faszination für revolutionäre Gewalt und seine ambivalente Haltung zum Kommunismus des 20. Jahrhunderts haben ihm scharfe Kritik von vielen Seiten eingebracht. Seine politischen Forderungen werden oft als verantwortungslos, gefährlich und historisch ignorant verurteilt.

3.1. Der Ruf nach Revolution ohne revolutionäres Subjekt und ohne Plan

Ein zentrales Paradox in Žižeks politischem Denken ist der Widerspruch zwischen seiner radikalen Rhetorik und dem völligen Fehlen konkreter politischer Strategien. Er fordert die Wiederholung Lenins und die Notwendigkeit eines revolutionären Akts, bleibt aber konsequent vage, wie dieser Akt aussehen und von wem er getragen werden sollte. Während er die bestehende Ordnung als ideologisch verblendet und unerträglich darstellt, bietet er keine realistische Alternative oder einen gangbaren Weg dorthin an. Hook und Neill merken an, dass, obwohl Žižeks Kritik an der herrschenden Ideologie weit verbreitet ist, oft unklar bleibt, wohin diese Kritik eigentlich führt [16].

Diese Leerstelle wird von Kritikern als Symptom einer intellektuellen Pose interpretiert. Der Ruf nach Revolution wird zu einem rein abstrakten, fast schon ästhetischen Akt, der von den realen politischen und sozialen Konsequenzen entkoppelt ist. Žižeks politische Theorie leidet, wie C.J. Finlay bemerkt, unter dem allgemeinen Problem des marxistischen Denkens in Bezug auf revolutionäre Gewalt, ohne jedoch Lösungen anzubieten [17]. Die Forderung nach einem radikalen Bruch wird so zu einer leeren Geste, die die politische Ohnmacht eher zementiert als überwindet.

3.2. Die Verharmlosung totalitärer Gewalt und die Faszination für den “revolutionären Terror”

Besonders scharfe Kritik entzündet sich an Žižeks Umgang mit der Geschichte des Kommunismus und seiner Faszination für revolutionäre Gewalt. Alan Johnson wirft ihm vor, trotz des Wissens um die „100 Millionen kommunistischen Leichen“ weiterhin die Notwendigkeit einer revolutionären politischen Kraft zu propagieren [18]. Žižeks Versuch, die „kommunistische Hypothese“ durch die Wiederbelebung des Konzepts des „revolutionären Terrors“ zu erneuern, wird als eine „verlorene Sache“ und als intellektuell wie moralisch unverantwortlich kritisiert [19].

Žižek unterscheidet zwischen „subjektiver“ (sichtbarer) und „objektiver“ (systemischer) Gewalt und argumentiert, dass die systemische Gewalt des Kapitalismus weitaus schlimmer sei als die gelegentlichen Ausbrüche revolutionärer Gewalt. Diese Argumentation wird jedoch als eine gefährliche Relativierung und Verharmlosung von Terror, Diktatur und Massenmord gesehen. Seine Verteidigung von Figuren wie Lenin oder Robespierre ignoriert die brutalen Konsequenzen ihres Handelns und stilisiert sie zu heroischen Akteuren eines metaphysischen Dramas. Chris McMillan analysiert kritisch Žižeks Erneuerung der marxistischen Analyse und seine Forderung nach einer Revolution vom Kapitalismus zum Kommunismus, die diese problematischen Aspekte beinhaltet [20].

3.3. Eine anti-demokratische Haltung und die Leere der Alternative

Letztlich läuft Žižeks politische Philosophie auf eine fundamentale Ablehnung der liberalen Demokratie hinaus, ohne eine überzeugende Alternative zu präsentieren. Jodi Dean kritisiert seine Positionierung gegen die Demokratie und seine revolutionären Passagen, die vor dem Hintergrund des real existierenden Kommunismus besonders problematisch erscheinen [21]. Seine Kritik an den Widersprüchen und Heucheleien der westlichen Demokratien mag in vielen Punkten zutreffend sein, doch seine Schlussfolgerung, das gesamte System über Bord zu werfen, führt ins Leere.

Die von ihm vage angedeutete kommunistische Zukunft bleibt ein metaphysisches Versprechen ohne konkrete institutionelle oder soziale Ausgestaltung. Die Kritik an Žižeks Politik kulminiert in dem Vorwurf, dass sie letztlich destruktiv ist, ohne konstruktive Perspektiven zu eröffnen. Sie gefällt sich in der radikalen Geste der totalen Ablehnung, scheut aber die mühsame Arbeit, eine realisierbare und humane Alternative zu entwerfen. Seine Philosophie, so der Vorwurf, bietet keine Werkzeuge für emanzipatorische Politik, sondern liefert lediglich den Soundtrack für eine zynische Resignation, die sich als radikale Hoffnung tarnt.

4. Fazit: Ein intellektueller Provokateur zwischen Genie und Scharlatanerie

Die kritische Analyse von Slavoj Žižeks philosophischem Projekt offenbart ein tief gespaltenes Bild. Auf der einen Seite steht ein unbestreitbar origineller, brillanter und weithin einflussreicher Denker, der es wie kaum ein anderer versteht, die verborgenen ideologischen Widersprüche der modernen Gesellschaft aufzudecken und die Philosophie aus dem Elfenbeinturm auf den Marktplatz der Popkultur zu holen. Seine Fähigkeit, scheinbar unzusammenhängende Phänomene miteinander in Beziehung zu setzen und etablierte Denkmuster zu erschüttern, ist beeindruckend und intellektuell anregend.

Auf der anderen Seite zeigen die systematischen Gegenargumente ein Werk, das von erheblichen Mängeln durchzogen ist. Methodische Inkonsistenzen, eine Tendenz zu oberflächlichen Analysen und ein Mangel an akademischer Strenge untergraben die Glaubwürdigkeit vieler seiner Thesen [22][4]. Seine Interpretationen von Lacan, Hegel und Marx sind hochgradig idiosynkratisch und werden von vielen Experten als verzerrt oder fehlerhaft kritisiert. Sein provokanter Stil, der ihn zum Medienstar gemacht hat, droht die philosophische Substanz zu überwältigen und ihn selbst zu einem Teil jenes Spektakels zu machen, das er zu bekämpfen vorgibt [9].

Besonders problematisch sind seine politischen Positionen. Der abstrakte Ruf nach revolutionärer Gewalt, die Verharmlosung totalitärer Regime und die pauschale Ablehnung der liberalen Demokratie ohne die Skizzierung einer gangbaren Alternative erscheinen nicht nur theoretisch fragwürdig, sondern auch politisch verantwortungslos [18][19].

Letztlich bleibt die Frage, wie Žižeks Beitrag zur Philosophie zu bewerten ist, offen. Ist er ein Prophet, der uns die Wahrheit über unsere ideologische Verblendung verkündet, oder ein intellektueller Scharlatan, der komplexe Theorien für rhetorische Effekte instrumentalisiert? Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Žižek ist ein Meister der Provokation, dessen Werk weniger als kohärentes philosophisches System, sondern vielmehr als eine Serie brillanter, aber oft widersprüchlicher Interventionen gelesen werden sollte. Seine wahre Leistung besteht möglicherweise nicht darin, endgültige Antworten zu geben, sondern darin, die richtigen Fragen zu stellen und uns dazu zu zwingen, unsere tiefsten Überzeugungen zu hinterfragen. Die Kritik an seinem Werk ist jedoch unerlässlich, um die Spreu vom Weizen zu trennen und die wertvollen Einsichten von den gefährlichen Vereinfachungen und den leeren Provokationen zu unterscheiden. Die Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten ist daher kein Verrat an seinem Denken, sondern die notwendige Voraussetzung für eine produktive Rezeption.

References

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[2] Slavoj Žižek: a critical introduction. books.google.com. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=YEVnEQAAQBAJ&oi=fnd&pg=PP9&dq=Žižek+methodological+weaknesses,+Žižek+superficial+analysis,+Žižek+intellectual+inconsistency&ots=CoVnNmDY0K&sig=9yYlqixO-cgyDAnhoz9d-UnlD-g

[3] Zizek’s ontology: A transcendental materialist theory of subjectivity. books.google.com. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=sHU_cu9jhLwC&oi=fnd&pg=PR11&dq=Žižek+methodological+weaknesses,+Žižek+superficial+analysis,+Žižek+intellectual+inconsistency&ots=okernSZvuR&sig=wu1D6BHuPFkkAYYQ1_xspjhzE7o

[4] Doing the impossible: Slavoj Žižek and the end of knowledge. Critical Inquiry. https://www.journals.uchicago.edu/doi/full/10.1086/376305

[5] Slavoj Žižek: Philosopher, cultural critic, and cyber-communist. Politics of Possibility. https://api.taylorfrancis.com/content/chapters/edit/download?identifierName=doi&identifierValue=10.4324/9781315632711-6&type=chapterpdf

[6] Cultural Studies and Slavoj Žižek. New cultural studies: Adventures in theory. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=pHsxEAAAQBAJ&oi=fnd&pg=PA162&dq=Žižek+methodology+criticism,+Žižek+philosophical+style+criticism&ots=hx80c-LfKR&sig=RMRXmC_PlDsTxawf_7ZU9oiqO7k

[7] Zizek Now: Current Perspectives in Zizek Studies. books.google.com. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=A3wsbCTDqygC&oi=fnd&pg=PA1981&dq=Žižek+methodological+weaknesses,+Žižek+superficial+analysis,+Žižek+intellectual+inconsistency&ots=CKajPpgm_Y&sig=kwe2d7ByOtmG4GlYDHDYjrSWSP4

[8] Zizek and the Media. books.google.com. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=Ruy10e7w2_YC&oi=fnd&pg=PR1&dq=Žižek+methodological+weaknesses,+Žižek+superficial+analysis,+Žižek+intellectual+inconsistency&ots=UpTzyEzwNV&sig=tXPcUDWvhovDTSAvNIqsDvC2Tj8

[9] The tao of Žižek. The truth of Žižek. https://www.academia.edu/download/138637/Tao_of_Zizek.pdf

[10] ŽIŽEK’S THEORY OF IDEOLOGY. helda.helsinki.fi. https://helda.helsinki.fi/server/api/core/bitstreams/18d6e5b1
-a97b-404e-ad60-6b26db4f6f4a/content

[11] Psychoanalysis and politics: the theory of ideology in Slavoj Žižek. International journal of Žižek studies. http://zizekstudies.org/index.php/IJZS/article/download/125/125

[12] Struggling with Žižek’s Ideology: The Deleuzian Complaint, Or, Why is Žižek a Disguised Deleuzian in Denial?. International Journal of Žižek Studies. http://www.zizekstudies.org/index.php/IJZS/article/viewFile/241/241

[13] From or Toward the Symbolic? A Critique of Žižek’s The Sublime Object of Ideology. Décalages. https://core.ac.uk/download/pdf/73343035.pdf

[14] A subject that matters: Žižek’s ideology critique today. International Journal of Žižek Studies. http://www.zizekstudies.org/index.php/IJZS/article/viewFile/272/272

[15] Reading emancipation backwards: Laclau, Žižek and the critique of ideology in emancipatory politics. winnspace.uwinnipeg.ca. https://winnspace.uwinnipeg.ca/bitstream/
handle/10680/1285/Reading Emancipation Backwards.pdf?sequence=1

[16] Žižek, political philosophy and subjectivity. Subjectivity. https://link.springer.com/article/10.1057/sub.2009.35

[17] Violence and revolutionary subjectivity: Marx to Žižek. European Journal of Political Theory. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1474885106067277

[18] Slavoj Žižek’s theory of revolution: A critique. Global Discourse. https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/23269995.2011.10707889

[19] The reckless mind of Slavoj Žižek. Dissent. https://muse.jhu.edu/pub/56/article/317156/summary

[20] Zizek and communist strategy: On the disavowed foundations of global capitalism. books.google.com. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=YS-rBgAAQBAJ&oi=fnd&pg=PR3&dq=Žižek+communism+criticism,
+Žižek+political+theory+problems,+Žižek+revolutionary+theory
+criticism&ots=DKvIV2ZCSJ&sig=2-lN911H7f1uSi0SCtBsALL7eNY

[21] Zizek against democracy. Law. https://journals.sagepub.com/
doi/abs/10.1191/1743872105lw012oa

[22] Zizek: A reader’s guide. books.google.com. https://books.google.com/books?hl=en&lr=&id=0MQqU-AZnikC&oi=fnd&pg=PA1&dq=Žižek+methodological+weaknesses,
+Žižek+superficial+analysis,+Žižek+intellectual+inconsistency&ots=zwE3-r3h7j&sig=jAo5EkHqFEJik_l071TCCAGhrm4

Redaktion Granaria

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